Praktikum am Teilchenforschungsinstitut CERN
vom 2. bis zum 15. Oktober 2016
Von Nils Rommel

Da unser Flug nach Genf kein Direktflug war und Janosch und ich keine Erfahrung in diesen Dingen hatten, waren wir einigermaßen nervös und aufgeregt, als die Reise losging. Nach der Gepäckaufgabe in Hamburg und der Gewissheit, dass das Gepäck direkt nach Genf weitergeleitet wurde, hatten wir noch ein wenig Zeit, uns den Flughafen anzuschauen. Schließlich gingen wir durch die Sicherheitskontrollen und weiter zu unserem Abfluggate. Wir starteten pünktlich um 14:00 Uhr.

Nils Rommel und Janosch Scherler
Außenanlage
Eindrücke vom CERN-Gelände

n Frankfurt sollten wir dann umsteigen. Da der Frankfurter Flughafen sehr groß ist, hatten wir zunächst Schwierigkeiten, das richtige Gate für den Weiterflug zu finden. Das kostete uns etliche Minuten und wir dachten schon, dass wir es nicht mehr rechtzeitig schaffen werden. Zu unserem Glück hatte der Anschlussflieger etwa 30 Minuten Verspätung, so dass wir uns erst mal wieder beruhigen konnten. Letztlich sind Janosch, ich und unser Gepäck gut in Genf angekommen. Es stellte sich übrigens als sehr hilfreich heraus, die Bordingkarten via App auf das Handy zu laden. Das ist sehr einfach und unkompliziert für alle Beteiligten. In Genf empfing uns die Sonne. Auch den Busbahnhof zu finden stellte sich dank unseres Ansprechpartners am CERN, Herrn Hausschild, als kein Problem dar. Herr Hausschild hatte uns vorab Informationen zukommen lassen, wie wir zum Busbahnhof gelangen, welche Linie zu nehmen war und welche Kosten auf uns zukamen. Auch das war sehr hilfreich. Am Hotel angekommen, konnten wir mit den zu Hause vorbereiteten Voucher ebenso problemlos im Hotel einchecken. Unser Zimmer war sehr klein, aber unheimlich praktisch und gemütlich eingerichtet.

Am Montagmorgen gingen wir zu Fuß zum etwa 3 km entfernten CERN und trafen uns am Gebäude Nr. 33 mit Herrn Hausschild. Bevor wir eine kleine Führung über das Gelände des CERN machen konnten, wurden zuerst die administrativen Dinge erledigt. Damit wir uns später frei auf dem gesamten Gelände bewegen konnten, erhielten wir sogenannte Accesscards. Nachdem wir die Führung beendet hatten, stellte uns Herr Hausschild unsere Betreuer Alex und Julia vor. Sie sind Doktoranden und schon seit einigen Jahren am CERN beschäftigt. Wir verstanden uns auf Anhieb und so ahnten wir schon, dass wir eine tolle Zeit haben würden.

Alex und Julia stellten Janosch und mir dann auch gleich unsere Aufgabe für die nächsten Tage vor:
Baue ein Modell des ATLAS Detektors – welcher am CERN gebaut und mit dessen Hilfe das sogenannte Higgs-Boson gefunden wurde – und erstelle eine 3D Animation am Computer.

S'Cool LAB
3D Drucker

Um diese wirklich spannende Aufgabe erfüllen zu können, brauchten Janosch und ich natürlich eingehende Informationen, um zu verstehen, wie der ATLAS Detektor überhaupt arbeitet und funktioniert. Zwar hatte ich schon einige Vorkenntnisse mitgebracht, weil mich dieses Thema sehr interessiert, aber an so detaillierte Informationen zu gelangen war sehr aufregend. Anhand von vorbereiteten Arbeitsblättern, die wir ausfüllen durften, gelang es uns, die nötigen Einblicke für unsere eigentliche Aufgabe zu erhalten. Im neu gebauten, sogenannten S'Cool LAB, einem Labor, für das wir sogar eigens einen Schlüssel bekamen, konnten wir nun am 2. Tag unserer Arbeit nachgehen, nämlich mit dem Bau eines Modells vom ATLAS Detektor im Maßstab 1:100 mit Hilfe eines 3D Druckers. Dank der Vorarbeit unserer Betreuer Alex und Julia brauchten wir nur einen Teil der Bauteile am 3D Drucker ausdrucken. Um die Objekte drucken zu können, hatten Janosch und ich gelernt, den 3D Drucker mit einem Bearbeitungsprogramm zu programmieren. In der Zwischenzeit begannen wir damit, die Spulen der einzelnen Toroid-Magneten aus Kupferdraht zu wickeln. In der Realität sind diese Magneten allerdings aus supraleitenden Kabeln gewickelt. Dies nahm eine ganze Weile in Anspruch, da wir sehr exakt arbeiten mussten.

Um mehr über Hintergrundstrahlung und über die einzelnen Teilchen an sich zu erfahren, durften wir an einem Workshop für eine Nebelkammer mitmachen, die diese Dinge verdeutlichen sollte. Dieser Workshop war für eine Klasse aus Braunschweig vorgesehen. Trotzdem durften auch wir daran teilnehmen.

Schließlich sind wir wieder bei unseren Magnetspulen angelangt, die immer noch in Bearbeitung waren, so dass Janosch und ich beschlossen, am 3. Tag länger zu bleiben, um diesen Teil der Arbeit endlich abzuschließen. Wir haben uns dann sogar noch die Zeit genommen, um alles zusammen zu kleben und zu löten. Unser Modell war nun also fertig. Aber war es auch funktionsfähig?

Unser fertiges ATLAS-MODELL

Wenn wir alles richtig zusammengesetzt hatten, dann sollte das ATLAS-Modell, wenn es an eine Spannungsquelle angeschlossen wurde, ein Magnetfeld erzeugen. Dieses begannen wir am 4. Tag zu vermessen.

Die zur Verfügung gestellten Messinstrumente aus dem S'Cool LAB zeigten ein 0,8 mT starkes Magnetfeld an, welches wir aus den unterschiedlichsten Richtungen der Messungen feststellen konnten. Das Detektormodell war also funktionstüchtig.

Nach einem leckeren Mittagessen im Restaurant 2 des CERN mit Alex und Julia wurden wir Christian, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, vorgestellt. Christian rechnet tagtäglich mit Magnetfeldern und konnte uns erklären, wie ein Magnetfeld aussieht und wie man eine Flugbahn eines Teilchens wie das berühmte Higgs-Boson errechnet. Dafür mussten wir uns ausführlich mit der sogenannten Lorenzkraft beschäftigen. Von dieser hatte ich bis dato noch nie etwas gehört. Aber schließlich konnten wir eine Flugbahn mit Hilfe einer Excel-Tabelle veranschaulichen.

Da Christian uns bereits um 17:00 Uhr entlassen konnte, waren wir an diesem Tag schon früh im Hotel. Unsere Laptops, die wir am ersten Tag im CERN hatten registrieren lassen, hatten also Zugang zu einigen Programmen, mit denen am CERN gearbeitet wird. So wollten Janosch und ich noch am gleichen Abend die aus der Excel-Tabelle gewonnenen Werte für eine weitere Analyse in das Programm GeoGebra übertragen, doch dabei kam es zu Schwierigkeiten mit dem Programm, so dass wir dies nicht beenden konnten.

Unsere Aufgabe, das ATLAS-Modell zu bauen und damit zu arbeiten, dienten als Testlauf für spätere Workshops am S'Cool LAB. Wir waren sozusagen der Probelauf, zu dem wir von Alex ausführlich befragt und interviewt wurden. Es interessierte sie, wie wir die bisherige Zeit am CERN empfunden hatten und welche Erfahrungen wir, vor allem mit dem Bau und dem Umgang mit unserem Modell, sammeln konnten.

Sarah, ebenfalls eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am CERN, schrieb gerade an ihrer Doktorarbeit. Sie fragte uns schon vor unserer Reise via E-Mail, ob sie für ihre Doktorarbeit mit uns ein Interview machen dürfe, was wir selbstverständlich nicht ablehnten. Sarah untersuchte in dem Interview die verschiedenen Umgehensweisen von Schülern mit Fragen über den Kosmos. Hierbei sollten wir die sogenannte „Think aloud“-Technik anwenden. Wir sollten also alles laut aussprechen, was wir gerade dachten, machten oder lasen. Das Interview ging bei jedem von uns über eine Stunde lang. Für mich war diese Form eine sehr einschneidende Erfahrung. Nach einiger Zeit kam ich mir selbst etwas merkwürdig vor.

In unserer zweiten Woche am CERN sollte eine Lehrerfortbildung stattfinden. Da die Lehrer bereits am Sonntag eintrafen und auch sie eine kleine Führung über das CERN-Gelände erhalten sollten, machte Herr Hausschild Janosch und mir den Vorschlag, zu seiner anschließenden Präsentation dazuzukommen, um noch mehr über die Arbeiten am CERN zu erfahren.

So konnten wir in dem Vortrag von Herrn Hausschild unter anderem etwas über das Beschleunigen von Teilchen in einem Magnetfeld erfahren.

Wir erhielten die Anweisung, uns während der gesamten Woche im Hintergrund zu halten. Es hatten sich bei der letzten Lehrerfortbildung einige Lehrer deutlich über die damals anwesenden Stipendiaten beschwert. Einigen Lehrern war es wohl suspekt, dass Jugendliche an ihrer Fortbildung teilhaben sollten. Sie würden die Materie ja doch nicht verstehen. Aus diesem Grund waren Janosch und ich auch die letzten Stipendiaten, die an einer Lehrerfortbildung teilhaben durften. Wir können aus unserer Sicht nur Gutes im Zusammenhang mit den Lehrern berichten, denn wir hatten zum Teil sehr nette Gespräche mit ihnen, wenn wir angesprochen wurden

Der „Low Energy Ion Ring“
Das CERN-Control-Center, CCC
Behälter aus dem Film „Il­lu­mi­nati“, in dem die Antimaterie auf­bewahrt wurde.

In den nächsten Tagen standen drei Führungen für die Lehrer an, an denen auch wir teilnehmen konnten. Die erste führte uns zur Magnethalle, wo uns der Magnetsystemaufbau des LHC Beschleunigers nähergebracht wurde. Ebenso wurde uns die Arbeitsweise des „Low Energy Ion Ring“, kurz LEIR, erläutert. Die Seiten dieses Beschleunigers waren durch 2 m dicke Betonwände geschützt. Da zu der Zeit aber keine Gefahr durch Strahlung ausging, hatten wir das Glück, ihn uns von der oberen Perspektive ansehen zu können.

Am nächsten Tag standen 3½ Stunden Teilchenphysik auf dem Plan der Lehrer. Der Vortrag erstreckte sich von der Entdeckung des Elektrons bis hin zur Entdeckung des Higgs-Boson. Es wurde das Teilchen-Modell erläutert und ebenso die Probleme, die mit diesem Modell in Verbindung stehen. Dieser Vortrag war aus meiner Sicht der anspruchsvollste während unserer gesamten Zeit am CERN. Auch einige Lehrer waren so ehrlich und gaben uns gegenüber zu, dass sie Schwierigkeiten hatten, die Materie zu verstehen.

Nach unserem täglichen Mittagessen am CERN stand an diesem Tag erneut ein Interview an. Dieses wurde von einem angehenden Lehrer durchgeführt, der im Rahmen seines Besuches am CERN einen Workshop für das S'Cool LAB entwickelt hatte. Diesen Workshop durften wir testen und anschließend Verbesserungsvorschläge geben. Ein sehr gelungener und spannender Workshop. Mit Hilfe von Styroporkügelchen, die wir in einen zuvor selbst gebauten Beschleuniger gegeben hatten, konnten wir deren Flugverhalten testen. Anschließend lernten wir eine neue Technik kennen, die zum Beschleunigen von Teilchen noch geeigneter sein könnte. Bei dieser Technik soll mit Hilfe von Plasma eine Energiequelle erzeugt werden.

Am darauffolgenden Tag stand die zweite Führung an. Sie brachte uns zum sogenannten AMS, welches ein Teilchendetektor ist, der auf der internationalen Raumstation ISS gearbeitet hat. Man stellte uns das Kontrollzentrum und die Funktionsweise des AMS vor. Anschließend wurde uns auch noch das CERN-Control-Center, kurz CCC, vorgestellt.

Nach unserem üblichen Mittagessen gab es von der Doktorandin Sarah einen Vortrag über Kosmologie. Da die Teilchenphysik versucht, die Zusammenhänge im Universum zu erklären, gibt es viele Parallelen zwischen den Forschungsergebnissen des CERNs und denen der größten Teleskope.

ach Sarahs Vortrag stand nun die Art der Vermittlung der uns bis dahin nähergebrachten Themen im Fokus. Es war ganz interessant, mal die andere Seite eines Unterrichts zu erleben. Man macht sich offenbar sehr viele Gedanken darüber, wie das Wissen altersgerecht an Kinder weitervermittelt werden kann. Eine tolle Sache, wie Janosch und ich fanden.

Die Entstehung und die Entwicklung des CERN wurde uns schließlich durch einen Vortrag von Herrn Hausschild am nächsten Tag nähergebracht. Da wir dabei auch etwas Neues über Detektoren erfahren konnten, ging es nach der Mittagessenspause weiter mit der 3. Führung. Zum Experiment CMS. Wir hatten sogar die Ehre, etwa 100 m tief neben dem eingeschalteten Detektor zu stehen. Es war beeindruckend, die massive Stärke dieses Magneten zu sehen. Denn trotz einer 6 m dicken Betonwand wurde eine Kette aus Büroklammern noch immer in Richtung Magneten abgelenkt.

Das im Anschluss von uns besuchte Data Center erfasst alle gesammelten Daten, speichert oder löscht sie.

Ebenfalls faszinierend, und damit komme ich zum Abschluss meines Berichts, war die Tatsache, dass am CERN die Anfangsszenen zum Film „Illuminati“ (nach der Buchvorlage von Dan Brown) gedreht wurden. Es wurde uns erklärt, welche Szenen der Wahrheit entsprechen und welche inhaltlich fiktiv sind. Eine originale Requisite aus dem Film, in der in mehreren Szenen die sogenannte Antimaterie aufbewahrt wurde, dient in Wirklichkeit anderen Zwecken. Der Hauptdarsteller, Tom Hanks, gab einmal zu, von dieser Materie, um die es im Film „Illuminati“ geht, rein gar nichts zu verstehen. Die zum Film passende Erklärung der Funktionsweise vom Entschleunigen der Teilchen, wurde uns in der Antimaterie-Fabrik nähergebracht.

Unser Aufenthalt am CERN endete mit einer Einladung von Herrn Hausschild, Alex und Julia zu einem gemeinsamen Mittagessen. Zum Dank an unsere hervorragenden Betreuer brachten Janosch und ich ein paar Präsente mit.

Für mich verging die Zeit am CERN wie im Flug, und ich wäre sehr gerne noch eine ganze Weile dort geblieben. Es war für uns eine sehr bedeutsame, beeindruckende und lehrreiche Zeit und wir bedanken uns auch auf diesem Weg bei allen Beteiligten, die uns diese Erfahrungen ermöglicht haben. Ein besonderer Dank geht dabei an die Organisatoren der Auricher Wissenschaftstage, ohne deren Leistungen ein solch spektakuläres Erlebnis nicht möglich gewesen wäre.

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