Praktikum vom 16.10. - 27.10.2023
von Keno Liebermann und Keno Nieland
Die Auricher Wissenschaftstage ermöglichten uns, Keno Liebermann und Keno Nieland, die einzigartige Möglichkeit Einblicke in das Forschungszentrum Jülich zu gewinnen. Wir absolvierten unser Praktikum im Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM), welches sich mit der Gehirnforschung an Mensch und Tier beschäftigt. Genauer kamen wir in der Abteilung INM-2 unter, welche sich hauptsächlich mit der Grundlagenforschung am Gehirn befasst. In unserer Zeit des Aufenthalts wurden wir von Alexandra Drechsel betreut, während uns Ali Ademi bei unseren praktischen Arbeiten begleitete.
An den ersten beiden Tage, die wir in dem Forschungszentrum verbringen durften, haben wir zunächst Organisatorisches geklärt und uns theoretisches Wissen angeeignet. Nach einer Sicherheitsunterweisung und einer Führung durch die für uns wichtigsten Gebäude auf dem 2,2 Quadratkilometer großen Campus erhielten wir zum Durcharbeiten zwei Präsentationen in Papierformat, welche sich zum einen mit den Rezeptoren in dem Gehirn einer Ratte und zum anderen mit der Kleintier-Bildgebung durch Positronen-Emissions-Tomographie und Computertomographie-Scans beschäftigten. Die Präsentation über die Rezeptoren lieferte uns hierbei grundlegende Informationen über die Definition eines Rezeptors und auch verschiedene Rezeptorarten. Die Präsentation über die Kleintier-Bildgebung erläuterte uns die Besonderheiten über den PET-Scan, welcher eine zentrale Untersuchungsmethode unserer Forschungsabteilung ist.
Mit diesem Vorwissen bekamen wir noch am selben und auch am darauffolgenden Tag die
Möglichkeit am „INM-Retreat 2023“ teilzunehmen. Diese Veranstaltung bietet den
Wissenschaftlern und Mitgliedern des INM eine ideale Plattform für Diskussionen,
Austausche und Vorstellungen zu relevanten Themen und neuen Erkenntnissen innerhalb des Instituts. Als Diskussionsgrundlage haben viele Teilnehmer ein Poster gestaltet, auf welchem sie ihre Projekte veranschaulichten. Im Verlauf der Veranstaltung erhielten die Teilnehmer dann die Möglichkeit ihre Poster in Kurzform vorzustellen. Solche Vorstellungen mit einer Dauer von rund 5 Minuten folgten stets auf Highlight-Präsentationen, deren Redezeit ungefähr 15-20 Minuten betrug. Inhaltlich thematisierten auch die längeren Präsentationen Projekte, wobei Ergebnisse für die Zuhörer dargestellt und erläutert wurden.
Nach den meisten Präsentationen wurde eine Zeit für Fragen und den generellen Austausch eingeplant. Alle Vorstellungen wurden vollständig in englischer Sprache gehalten. Die Themen von solchen Projekten behandelten beispielsweise ethische Analysen, Modellierungen oder auch Programme wie die Helmholtz Artificial Intelligence. Nach diesen verschiedenen Vorstellungen in einem beeindruckend großen Hörsaal bestand im Rahmen einer Austauschrunde die Möglichkeit mit den Präsentierenden direkt in Kontakt zu treten. Wir traten in Kontakt mit zwei Teilnehmern, um mehr über ihre Projekte zu erfahren. Eine Präsentation blieb uns dabei besonders in Erinnerung, da sie sich damit beschäftigte die vollständige Einordnung eines Menschen anhand seiner Gehirnströme zu entwickeln, ähnlich wie bei einem Fingerabdruck.
Nach dem Retreat begannen wir an praktischen Arbeiten mitzuwirken und auch selbst welche auszuführen. Wir lernten den Auszubildenden Ali Ademi kennen, dem wir zunächst bei einem Versuch assistieren durften. Dieser Versuch wurde in einem Gelblicht-Labor durchgeführt, um einen Zerfall der radioaktiven Mittel zu vermeiden. Dabei wurden Hirnschnitte einer Ratte zuerst mit einem radioaktiven Tracer versehen. Verwendet wurde ein tritinierter Radioligand namens (3H)-DPCPX, welcher auf eine sogenannte BAS-Platte gegeben wurde. Diese BAS-Platte ist sensitiv gegenüber Tritium und somit entsteht durch die radioaktive Markierung ein kontrastreiches Abbild des Gehirnschnittes, welcher darauffolgend in seinem Aufbau analysiert werden kann.
Am darauf folgenden Tag arbeiteten wir mit einem Rattenhirn. Dies taten wir mithilfe eines Kryostaten. Dieses Gerät ermöglicht das Arbeiten bei niedrigen Temperaturen von -18°C. Wir fertigten koronare, sagittale und horizontale Schnitte eines Gehirns in Scheiben an, die in den meisten Fällen 20 Mikrometer dünn sind. Nur bei niedrigen Temperaturen kann die Präperation der Rattenhirne so erfolgen. Die Durchführung beginnt zunächst bei der Fixierung des zu betrachtenden Gehirns. Dies taten wir durch einen Kleber, der bei Raumtemperatur in einem flüssigen Zustand auftritt, aber bei kühleren Temperaturen schon nach kurzer Zeit zu einer festen Form erhärtet. Sobald das Gehirn möglichst gerade und in der richtigen Ausrichtung fixiert und eingespannt ist, beginnt das Schneiden des Gehirns. Wir schnitten das Gehirn koronar, das bedeutet senkrecht. Hierbei helfen verschiedene Orientierungshilfen beim Finden von relevanten Stellen. Sobald eine Stelle gefunden wurde, war es möglich den dünnen Schnitt mithilfe eines Streckglases zu glätten und vorsichtig auf einem Objektträger aufzunehmen. Anschließend wurde der Schnitt langsam auf eine Heizplatte gestrichen, wodurch der Schnitt fixiert wurde. Auf diese Weise konnten wir etwa 50 Schnitte anfertigen, wobei wir uns vor allem auf den Hippocampus, das Striatum, das Kleinhirn und den Motorcortex konzentrierten. Insgesamt könnte man alleine von einem Rattenhirn weitaus mehr als 500 derartige Schnitte anfertigen.
(Foto von Kryostat), (Foto von fertigen Schnitten), (Foto von uns am Kryostaten)
In der darauffolgenden Woche färbten wir diese Schnitte mithilfe einer Nisslfärbung mit
Kresylechtviolett, um eine Auswertung anzufertigen. Bei der Färbung wird die Methodik nach dem Anwendungsbereich entschieden. Somit gibt es auch beispielsweise die Silber-Färbung als Alternative zu der verwendeten Färbmethode. Nach etwas Vorbereitung fängt die Färbung mit einer Wässerung der Kryoschnitte an. Der nächste Schritt ist die Färbung in der Kresylechtviolett-Lösung und das Abspülen des Zwischenproduktes. Danach folgt dann die schrittweise Dehydrierung durch verschieden konzentrierte Propanol-Lösungen, wobei
70%ige, 96%ige und 100%ige Konzentrationen des Propanols benötigt werden. Bevor wir das Produkt schlussendlich auf einem Objektträger mithilfe von einem Eindeckmittel fixieren
konnten, musste durch Zugabe von „Safe-Solf-Qpath“ der restliche Alkohol entzogen werden. Die fertigen Schnitte der Rattenhirne können nun dauerhaft aufbewahrt und ihr innerer Aufbau analysiert werden.
(Bild von Lösungen, Experimentaufbau)
Danach haben wir die Sektion einer Ratte eigenhändig durchgeführt. Während dieser Sektion
konnten wir durch die Unterstützung von Ali Ademi und Alexandra Drechsel die Anatomie
der Ratte näher kennenlernen und gleichzeitig praktische Erfahrungen sammeln.
Am selben Tag haben wir die Messmethode namens „Patch-Clamp“ kennengelernt, welche
es ermöglicht, in die Membran einer Zelle mit einer mikrometer-dünnen Pipette
einzudringen und die abgegebenen Signale dieser einzelnen Zelle zu messen. Das ist
besonders interessant für die Erforschung von bestimmten Neuronen, deren allgemeiner
Aufbau durchaus sehr stark variieren kann. Für die Messung selbst wird zunächst ein
Rattenhirn, das es zu erforschen gilt, aus einem Versuchstier extrahiert. Die Zellen dieses
Gehirns werden daraufhin durch eine Lösung am Leben erhalten, damit sie im weiteren
Verlauf der Durchführung analysiert werden können. Das Gehirn wird hierzu in Scheiben von
350 Mikrometer Dicke geschnitten. Die Mikropipette dringt durch einen gesteuerten
Computerarm unter einem modifizierten Mikroskop vorsichtig in eine ausgesuchte Zelle ein.
Ein Amplifier verstärkt hierbei das eigentlich schwache Signal aus der Zelle, damit es von dem
Computer wahrgenommen und aufgezeichnet werden kann. Das Ziel dieses Verfahrens ist es,
mit Hilfe von Druckanpassungen die Aktionspotenziale ausgewählter Zellen zu messen, um
ihre Aktivität festzustellen. Unsere Probe zeigte hierbei keine großen Erfolge. Unser
betreuender Forscher führte dies auf das hohe Alter der Ratte zurück. Jedoch wurden uns
auch erfolgreiche Versuche gezeigt und somit konnten wir uns das Ziel dieser Messungen vor
Augen führen.
(Bild von Geräte Patch-Clamp)
Am vorletzten Tag unseres Praktikums haben wir noch einen Einblick in die
Elektronenmikroskopie gewinnen können. Dieses Verfahren unterscheidet sich von den
anderen, da es sich hierbei um das Arbeiten mit Semidünn- und sogar Ultradünnschnitten
handelt, die nur einen halben Mikrometer dünn sind. Solch dünne Schnitte ermöglichen
einen deutlich genaueren Einblick in die Zellebene des Gehirns. Für derartige Schnitte ist eine
große Fingerfertigkeit gefordert, weil lediglich ein sehr kleiner Bereich eines zuvor
angefertigten Gehirnschnittes entnommen wird. Dieses Stück wird auf Kunstharz fixiert und
mithilfe eines Diamantmessers und eines modifizierten Mikroskops zunächst in
Semidünnschnitte geschnitten. Danach wird der zu betrachtende Bereich noch weiter mit
einem Rasiermesser zugeschnitten, sodass der Prozess anschließend mit einem spezifizierten
Bereich des Gehirns wiederholt werden kann. Diese geringe Größe ermöglicht die
Anfertigung von Ultradünnschnitten. Diese Ultradünnschnitte, welche unter anderem durch
ihre besondere Farbe charakterisiert werden können, werden vorsichtig mit einer Pipette
aufgenommen und nach dem Trocknen und einer anschließenden Färbung unter einem
weiteren Mikroskop betrachtet. Durch die Färbung und die dünnen Maße der Schnitte sind
nun auf Zellebene sowohl der Zellkern mit dem Nucleolus, als auch Nervenzellen deutlich zu
erkennen.
(Foto vom Ablauf der Elektronenmikroskopie)
Neben diesem beeindruckenden Programm wurden wir auch mit dem Alltag eines
Hirnforschers im Allgemeinen vertraut gemacht. Wir durften unter anderem an den
wöchentlichen Treffen der für uns zuständigen Abteilung teilnehmen, in welchen neben
allgemeinen Angelegenheiten auch insgesamt zwei Vorträge gehalten wurden. Eine dieser
Vorträge behandelte thematisch die Doktorarbeit eines Mitglieds der Abteilung. Die andere
Präsentation bestand aus einem Bericht über die Teilnahme an einer wissenschaftlichen
Veranstaltung in Prag im Jahr 2023. Die verschiedenen Themen und Ansätze, welche aus dem Bericht hervorkamen, wurden auch innerhalb der Arbeitsgruppe diskutiert.
In unserem zweiwöchigen Aufenthalt hatten wir sogar die Möglichkeit ein menschliches
Gehirn anzufassen, es hochzuheben und es zu betrachten. Das Gehirn war überraschend
schwer mit einem geschätzten Gewicht von ungefähr einem Kilogramm und faszinierte uns
durch seinen surrealen Anblick.
Abschließend möchten wir uns ausdrücklich bei den Auricher Wissenschaftstagen bedanken,
dass wir diese unvergesslichen Erfahrungen sammeln durften und in dem Gebiet der
Laborarbeit um die Gehirnforschung derartige Einblicke sammeln konnten.
Auch unserer Abteilung INM-2 aus dem Forschungszentrum Jülich wollen wir unseren großen
Dank aussprechen, da sie uns mehr als freundlich aufnahm und uns großartig durch unser
Praktikum leitete.
(Gruppenfoto)