Praktikum vom 23.07.2023 bis 05.08.2023
von Johanna Dahl und Hanna Windau,

Durch die Auricher Wissenschaftstage wurde uns, Johanna Dahl und Hanna Windau, die Möglichkeit geboten in den Sommerferien ein zweiwöchiges Praktikum am CeTPD (Centre for Targeted Protein Degradation) in Dundee zu absolvieren.

Am 23.07.23 brachen wir bereits um fünf Uhr morgens auf, um mit dem Zug nach Köln zu fahren und von dort aus nach Edinburgh zu fliegen. In Schottland angekommen, nahmen wir den Bus nach Dundee. Vor Ort wurden wir dann von unserer Betreuerin Claudia Diehl, einer ehemaligen Ulricianerin, empfangen und zu unserer Unterkunft begleitet. Untergebracht waren wir in einem Studentenwohnheim. Dadurch konnten wir andere Studenten aus verschiedenen Ländern kennenlernen. Bereits am nächsten Tag ging es für uns ins Institut. Zunächst haben wir eine Tour und Sicherheitsbelehrungen bekommen, sowie unsere Betreuer für die nächsten zwei Wochen getroffen. Außerdem haben wir einen groben Einblick in die Arbeit des Instituts bekommen. Das Ziel von Targeted Protein Degradation ist es, proteinbasierte Krankheiten zu therapieren. Hierfür werden die schadhaften Proteine gesucht, und im nächsten Schritt mithilfe eines bereits in der Zelle vorhandene Abbaumechanismus abgebaut und „recyceled“. In einer gesunden Zelle werden die Proteine mithilfe von E3 Ligasen und dem Protein Ubiquitin markiert und dann im nächsten Schritt abgebaut und ersetzt. Um diesen Prozess zu fördern und auf das gewünschte Zielprotein zu fokussieren, wird ein sogenannter PROTAC genutzt. Dieses Molekül besteht aus einer Seite, die an die E3 Ligase bindet und eine andere, welche zum Zielprotein passt. Ein Linker verbindet beide Seiten und sorgt somit dafür, dass das schadhafte Protein und die E3 Ligase gezielt zusammengeführt werden, und die Markierung des Zielproteins mit Ubiquitin erfolgen. So kann das Protein dann im Idealfall gänzlich aus der Zelle entfernt werden. Der PROTAC ist nach diesem Vorgang wiederverwendbar. Auf diese Weise könnten Krankheiten, wie Krebs, behandelt werden. Das CeTPD agiert als Forschungseinrichtung, hat aber auch Partner in der Industrie. Am Dienstag begann dann unsere eigene Arbeit im Chemielabor. Wir lernten unter anderem, wie man eine Dünnschichtchromatographie durchführt. Hierbei werden Substanzen auf Basis ihrer polaren Affinität getrennt. Dies funktioniert, indem auf eine stationäre Phase die Substanzlösung aufgetragen und dann in eine mobile Phase gestellt wird. Die mobile Phase wandert die Chromatographieplatte (stationäre Phase) hinauf und zieht die verschiedenen Substanzen in der Lösung mit. Dies funktioniert je nach Polarität der Substanzen mehr oder weniger gut. Unpolare Substanzen legen eine größere Strecke auf der Platte zurück als die polaren Substanzen. Somit separieren sie sich und jede Substanz lässt sich durch ihre stoffspezifische Wandergeschwindigkeit erkennen. Damit war es uns möglich, verschiedene uns vorher unbekannte Medikamente im Vergleich mit Kontrollproben zu identifizieren. Dieses Wissen konnten wir am folgenden Tag direkt anwenden. Dort haben wir unsere eigene chemische SN2 Reaktion durchgeführt, die wir mithilfe der Dünnschichtchromatographie überwachen konnten. Sowohl die Technik als auch die Reaktion wurden bereits in der Schule durchgenommen, und es war sehr interessant dies einmal praktisch umzusetzen. In unserer spezifischen Reaktion reagierten Butyl-ptoluolsulfonat und 6- Methoxynaphthalin-2-ol zu 2-Butoxy-6-Methoxynaphthalin reagiert. Anhand dieser Reaktion haben wir auch gelernt, mit wie viel Präzision chemische Reaktionen durchgeführt werden müssen, damit tatsächlich die maximale Produktausbeute erreicht werden kann. In unserem Experiment hatten wir bloß eine Ausbeute von ca. 36 %. In den zwei Tagen im Chemielabor durften wir den Wissenschaftlern auch über die Schultern gucken, welche einen PROTAC hergestellt haben, der später in Zellen eingesetzt werden kann. Am Donnerstag und Freitag der ersten Woche durften wir noch weitere Experimente aus dem Bereich der Biophysik und der Molekularbiologie ausprobieren. Zum Beispiel haben wir einen Fluoreszenzpolarisationsassay durchgeführt, bei dem gemessen werden kann, wie gut ein Molekül an ein anderes bindet. Hierzu wird eine Probe, welche an ein Protein binden soll, mit einem Fluoreszenztracer markiert. Das Licht, welches dieser Tracer abgibt, kann gemessen werden. Ungebundene Proben mit Tracer rotieren schneller und depolarisieren das Licht. Somit kann in diesem Fall nur eine geringe Polarisation gemessen werden. Wenn die Probe jedoch an das Molekül bindet, ist sie ortsfest mit einer höheren Polarisation als Folge. Anhand dieser Messung kann also herausgefunden werden, wie gut die Probe an das gewünschte Molekül bindet. Dies ist wichtig für die Entwicklung der PROTACs, da beide Enden möglichst gut an das Zielprotein und die E3 Ligase binden sollen.

Ein anderes Experiment war ein Deubiquitinierungsassay. Hierbei wird der umgekehrte Mechanismus der Ubiquitinierung, der Markierung eines Proteins mit dem Protein Ubiquitin, erforscht. Dieser Prozess nennt sich Deubiquitinierung und wird von den sogenannten Deubiquitinasen ausgeführt. Diese Enzyme trennen durch nukleophile Angriffe Ubiquitin wieder von den Proteinen und sorgen damit für die Rettung bzw. Stabilisierung des Proteins. Im Rahmen dieses Assays haben wir die Technik der Gelelektrophorese kennengelernt und angewandt. Bei dieser Technik lassen sich Biomoleküle, beispielsweise Proteine, auf der Basis ihrer Größe trennen. Als Trägermedium wird hierbei ein Gel benutzt, wessen Poren wie ein Sieb funktionieren. Die Wanderung der Proteine wird bei diesem Verfahren durch Anlegen einer Spannung erreicht. Die negativ geladenen Teilchen wandern in verschiedenen Geschwindigkeiten zur Anode. Außerdem haben wir an diesen zwei Tagen Zellkulturen angesetzt, die wir in der nächsten Woche weiterbearbeiten konnten. Beispielsweise haben wir Bakterien gezüchtet, welche die Proteine YFP (Yellow Fluorescent Protein), Cherry und Tomato produzieren. Leider haben nicht alle Kulturen das Wochenende überlebt. Zusätzlich haben wir auch in der sterilen Zellkultur humane HEK293-Zellen angesetzt, damit diese sich über das Wochenende vermehren konnten. Dafür haben wir das Nährmedium in den Zellflaschen getauscht und die Zellen dann über das Wochenende in den Inkubator gelegt. Auch an diesen Tagen hatten wir wieder die Möglichkeit, neue Bekanntschaften mit Wissenschaftlern und Studenten zu machen. Wir waren im Pub und trafen uns zum Mittagessen mit den Studierenden, die zu dem Zeitpunkt in der „Summer School“ für das Institut arbeiteten. So konnten wir uns mit Menschen ähnlichen Alters austauschen und einiges Wissenswertes über das Studium in den Bereichen der Biologie, Chemie und Pharmazie erfahren. In der zweiten Woche haben wir uns weiter mit den Zellen beschäftigt, die wir die Woche davor gezüchtet hatten. Mithilfe der Zellreinigung haben wir die Proteine, die wir produzieren wollten, vom Rest der Zelle getrennt. Dazu mussten zunächst die Zellen abgetötet und geöffnet werden, um an das Zielprotein zu kommen. Dann wurden die Abfallbestandteile von den tatsächlichen Zellen getrennt. Außerdem wurden auch alle anderen Zellbestandteile mithilfe verschiedener Chromatographie- und Reinigungsverfahren herausgefiltert. Zum Schluss wurde hier die Gelelektrophorese angewandt, um die Reinheit unseres Zielproteins festzustellen. Am Ende dieses Vorgangs waren beide unserer Zielproteine deutlich auf der Trägermembran zu erkennen. Auch unsere HEK-Zellen hatten sich über das Wochenende vermehrt, sodass wir sie aufteilen und in kleinere Zellkulturschalen überführen konnten. Den nächsten Tag haben wir damit verbracht, die Zellen mit verschiedenen Testsubstanzen zu behandeln. Das Ziel war es dabei herauszufinden, ob der entwickelte PROTAC die Menge an Zielprotein in den Zellen reduzieren würde. Hierzu wurden verschiedene Dosierungen der Testsubstanz, sowie eine negative und eine positive Kontroll- Substanz, eine negative und eine positive Probe zu den Zellen hinzugefügt und über vier Stunden inkubiert. Anschließend wurden die Zellen abgetötet und geöffnet, um eine Lösung des Zellinhalts einschließlich aller Proteine zu erhalten. Am Mittwoch und Donnerstag haben wir uns schließlich mit dem Western Blotting beschäftigt. Dieses Verfahren wird dazu genutzt, Zielproteine aus komplexen Proteinmischungen zu identifizieren. Hierzu wurden die aus den Zellen gewonnenen Proteinlösungen durch Gelelektrophorese getrennt. Mithilfe eines elektrischen Feldes werden die sortierten Proteine auf eine PVDF- oder Nitrocellulose-Trägermembran übertragen. Anschließend wurde die Membran in einer Milchlösung gewaschen und mit Antikörpern behandelt, welche nur an das bestimmte Zielprotein binden. Im nächsten Schritt wurde ein sekundärer Antikörper, der markiert ist und ausschließlich an den primären Antikörper bindet, verwendet, sodass später mit einer Bio Rad Maschine ausschließlich Bandes des Zielproteins sichtbar gemacht werden können. Somit kann dann ausgelesen werden, inwiefern die Behandlung mit den Testsubstanzen die Menge an Protein in den Zellen beeinflusst hat. In unserem Fall haben positive und negative Kontrollen das jeweils gewünschte Ergebnis - Abbau des Zielproteins, bzw. keine Beeinflussung des Zielproteins, gezeigt, ohne auch andere in der Zelle vorhandene Proteine zu beeinflussen. Somit hatten wir trotz unserer Unachtsamkeit eine viel zu hohe Dosis verabreicht zu haben, ein zufriedenstellendes Ergebnis bekommen. Außerdem nahmen wir am Donnerstag noch an zwei Workshops teil. Zuerst haben wir Proteinkristalle im Rahmen der Strukturbiologie gezüchtet, welche wir mithilfe kleiner Schleifen, sogenannter Loops, „ernten“ konnten. Durch die Kristallisation der Proteine kann der Aufbau und die Struktur dieser Proteine ermittelt werden. Hierzu würden sie Röntgenstrahlung ausgesetzt. Dieser Vorgang wird jedoch in speziellen Einrichtungen praktiziert, weswegen wir diesen Schritt nicht beobachtet haben. Den Aufbau von Proteinen behandelte auch der zweite Workshop. In ihm wurde uns gezeigt, wie die Struktur der von Proteinen mithilfe von Computersoftware sowie bestimmte Reaktionen modelliert werden kann. Somit können durch Berechnungen und Modellierungen bestimmte Vorhersagen getroffen werden. Nur die Experimente, die eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit durch diese Modellierungen ergeben haben, werden auch tatsächlich im Labor getestet. Freitag, unser letzter Tag am Institut. Wir durften am Sports Day teilnehmen, an dem alle Mitglieder des Instituts sich getroffen haben, um Badminton, Basketball und Dodgeball zu spielen. Der Tag wurde abgerundet mit einem gemeinsamen Zusammensitzen und Pizzaessen. Das war ein sehr gelungener Abschied. Am Morgen des 05.08.23 haben wir uns wieder auf den Weg nach Hause gemacht. Von Dundee ging es über Edinburgh und Köln zurück nach Aurich. Alles in allem lässt sich sagen, dass diese zwei Wochen eine einzigartige Erfahrung waren. Die Möglichkeit professionellen Wissenschaftlern bei der Arbeit zuzusehen und sie zu unterstützen war sehr interessant und lehrreich. Auch die Zusammenarbeit mit Menschen aus allen Teilen der Welt und die Kommunikation auf Englisch war sehr bereichernd. Wir wollen den Auricher Wissenschaftstagen, vor allem Herrn Engelbart und Frau Groen als die Organisatoren, sowie dem CeTPD herzlich danken. Vielen Dank auch an Dr. Claudia Diehl, die diese Kollaboration erst möglich gemacht hat, und an all die netten Menschen in Dundee, die uns so motiviert und herzlich aufgenommen haben.